Zwickmühle Haltung: Warum der DGB gegen die AfD demonstriert – und was er dabei riskiert

Foto: Lars Bieker
Foto: Lars Bieker

In den vergangenen Monaten bot sich auf Deutschlands Straßen oft das gleiche Bild: Hunderttausende demonstrierten gegen Rechtsextremismus, und mittendrin wehten die Fahnen der Gewerkschaften. Ob ver.di, IG Metall oder IG BCE – der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ruft aktiv dazu auf, gegen die AfD und ihre Jugendorganisationen Kante zu zeigen.

Doch hinter der geschlossenen Fassade auf der Bühne brodelt es an der Basis. Kritische Stimmen werfen eine unbequeme Frage auf: Sägen die Gewerkschaften damit nicht am eigenen Ast? Schließlich finanzieren sie sich durch Mitgliedsbeiträge – und unter den Beitragszahlern ist die Sympathie für die AfD längst kein Randphänomen mehr.

Das wirtschaftliche Dilemma: Werte gegen Wähler

Die Frage ist berechtigt: Verdienen Gewerkschaften ihr Geld nicht auch mit Mitgliedern, die die AfD gut finden? Die Antwort ist ein klares Ja.

Wahlanalysen – besonders bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland, aber auch im Bundestrend – zeigen immer wieder, dass der Zuspruch für die AfD gerade unter Arbeitern und Facharbeitern überdurchschnittlich hoch ist. In einigen Regionen ist die AfD stärkste Kraft unter den Gewerkschaftsmitgliedern.

Hier entsteht das strategische Dilemma:

  • Auf der einen Seite steht der historische Auftrag. Gewerkschaften verstehen sich als Schutzmacht der Demokratie und Antifaschisten.

  • Auf der anderen Seite steht die ökonomische Realität. Jedes Mitglied, das sich durch „Anti-AfD-Kampagnen“ seiner eigenen Interessenvertretung beleidigt oder ausgegrenzt fühlt, könnte austreten. Das kostet Geld und schwächt die Tarifmacht.

Warum der DGB das Risiko eingeht

Warum positioniert sich die Führungsebene dennoch so deutlich gegen die AfD und die „Junge Alternative“? Die Argumentation ist meist zweigleisig:

  1. Der Unvereinbarkeitsbeschluss: Die Satzungen der meisten Einzelgewerkschaften schließen rassistisches oder spalterisches Verhalten aus. Das Argument lautet: Wer die Solidarität unter den Arbeitnehmern (egal welcher Herkunft) untergräbt, handelt gewerkschaftsfeindlich.

  2. Der Blick ins Parteiprogramm: Gewerkschafter warnen davor, dass die AfD zwar als „Partei der kleinen Leute“ auftritt, ihr Wirtschaftsprogramm aber oft neoliberal geprägt ist. Forderungen nach Schwächung der Arbeitnehmerrechte oder Kritik am Mindestlohn werden vom DGB als direkter Angriff auf die eigene Klientel gewertet. Der Protest wird somit als „Interessenvertretung“ legitimiert.

Ein riskanter Spagat

Dennoch bleibt die Strategie riskant. Kritiker mahnen, dass pauschale Aufrufe gegen die AfD-Jugend zu einer „Wagenburg-Mentalität“ führen. Wenn sich ein Stahlarbeiter oder eine Pflegekraft, die aus Frust oder Überzeugung AfD wählt, von ihrer Gewerkschaft bevormundet fühlt, vertieft das die Spaltung der Gesellschaft – und der eigenen Organisation.

Es bleibt ein Drahtseilakt: Der DGB muss glaubwürdig für demokratische Werte einstehen, ohne dabei den Draht zu einem signifikanten Teil seiner eigenen Basis zu verlieren. Ob dieser Spagat gelingt, wird sich nicht auf den Demos entscheiden, sondern in den Betrieben und an den Wahlurnen.


Diskutiert mit: Findet ihr es richtig, dass sich Gewerkschaften politisch so stark positionieren? Oder sollten sie sich rein auf Tarifpolitik konzentrieren, um keine Mitglieder zu verprellen? Schreibt eure Meinung in die Kommentare.

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